Von Candidate Experience bis KI: So verändert sich das Recruiting

KI + Recruiting

Ein Vorstellungsgespräch mit Künstlicher Intelligenz anstatt mit einer Person führen: Noch wirkt dieses Szenario vielleicht undenkbar. Doch schon bald könnte es Realität sein, denn erste Testläufe mit KI im Bewerbungsprozess gibt es bereits in Deutschland – Tendenz steigend. Auch, wenn sich zum jetzigen Stand noch nicht mit Sicherheit sagen lässt, wie Recruiting in Zukunft aussehen wird, scheint eine Sache klar: Es wird sich in den kommenden Jahren grundlegend verändern. Daher lohnt sich ein Blick auf die Frage, welche Trends sich schon jetzt erkennen lassen und welche mit großer Wahrscheinlichkeit noch kommen werden…

Warum verändert sich Recruiting überhaupt?

Eine Bewerbung einschicken. Zum Vorstellungsgespräch eingeladen werden. Gehaltsverhandlungen führen. Arbeitsvertrag unterschreiben. So oder so ähnlich lief der Bewerbungsprozess bis vor kurzem in beinahe allen deutschen Unternehmen ab. Ein System, das jahrelang funktioniert hat. Wieso also sollte es geändert werden, fragst du dich? Daran sind verschiedene Entwicklungen schuld: Einerseits bringt die Digitalisierung beziehungsweise die (Weiter-) Entwicklung der Künstlichen Intelligenz schlichtweg neue Möglichkeiten mit sich. Andererseits funktionieren frühere Strategien in vielen Branchen nicht mehr, was dem Fachkräftemangel geschuldet ist. Unternehmen sind also gezwungen, mit dem Strom zu schwimmen, um das „Best Match“, die bestmögliche Besetzung, für eine Stelle zu finden.

Digitale Technologien spielen eine immer wichtigere Rolle

Die Digitalisierung bietet den Unternehmen dabei neue Möglichkeiten und somit auch Chancen, die sie nutzen müssen, um nicht von der Konkurrenz abgehängt zu werden. Das beginnt bei der Suche nach geeigneten Kandidaten über Social Media und endet beim Einsatz Künstlicher Intelligenz, kurz KI. Fakt ist: Wenn du dich zukünftig bei einem Unternehmen bewerben willst, wirst du mit deinen Papierunterlagen nicht mehr weit kommen. Bewerbungen digital einzureichen, sei es per E-Mail oder Online-Formular auf der Karriereseite des potenziellen Arbeitgebers, ist mittlerweile zur Selbstverständlichkeit geworden. Doch eine Online-Bewerbung alleine überzeugt auch noch nicht. Stattdessen lässt das Recruiting bereits jetzt folgende Trends im Rahmen der fortschreitenden Digitalisierung erkennen:

  • Bewerber-Blogs, sprich Blogs von Jobsuchenden, die sich als Experten positionieren und ihr Wissen im Internet teilen lassen sich mittlerweile immer häufiger finden. Ziel ist, von potenziellen Arbeitgebern gefunden zu werden. Häufig wird der Blog mit einer (Initiativ-) Bewerbung verknüpft, sprich: darin wird auf den Blog verwiesen, um das eigene Profil zu schärfen und die Personaler zu überzeugen.
  • Google for Jobs spielt auch in Deutschland eine zunehmend wichtige Rolle. Der Suchmaschinengigant hat eine eigene Jobbörse ins Leben gerufen und wurde schon kurz nach der Veröffentlichung zum Marktführer, wenn es um die Sichtbarkeit geht.
  • Social Recruiting im Sinne der Nutzung sozialer oder beruflicher Netzwerke, um Stellen zu besetzen, wird ebenfalls immer wichtiger für deutsche Unternehmen. Nicht nur, dass die Profile der Bewerber gecheckt werden – die sozialen Netzwerke werden sogar aktiv genutzt, um potenzielle Kandidaten aufzuspüren und Kontakt zu ihnen aufzunehmen. Auch Headhunter betreiben mittlerweile oft und gerne Social Recruiting.
  • Suchmaschinenoptimierte Stellenanzeigen sind zur neuen Normalität geworden, um die eigene Sichtbarkeit im Internet zu erhöhen und somit bessere Chancen als die Konkurrenz zu haben, von den Bewerbern gefunden zu werden. Auch Karriereseiten oder andere Internetauftritte zu diesem Zweck werden heutzutage von Unternehmen suchmaschinenoptimiert. Stichwort: SEO.
  • Suchmaschinenwerbung spielt dabei eine weitere wichtige Rolle, sprich: das Schalten von Werbeanzeigen, beispielsweise auf Google. Für dich als Bewerber macht es das umso leichter, passende Stellenanzeigen zu finden.
  • Vorstellungsgespräche per Videochat sind mittlerweile alles andere als ungewöhnlich. Vor allem, wer weit entfernt wohnt, kann sein Bewerbungsgespräch über Tools wie Skype führen. Das gilt zumindest für das erste Vorstellungsgespräch, während weitere Folgegespräche nach wie vor oft persönlich geführt werden.

Du siehst: Das Recruiting ist in Bewegung und daran wird sich auch in den kommenden Jahren nichts ändern. Sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer bedeutet das, zukünftig vermehrt digitale Möglichkeiten wie soziale Netzwerke, Videochats, Online-Jobbörsen & Co nutzen zu müssen, um „up-to-date“ zu bleiben und erfolgreich nach einem neuen Job oder passenden Kandidaten zu suchen.

Der Bewerbungsprozess wird zur „Candidate Experience“

Es lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, wer die treibende Kraft hinter dieser Entwicklung ist. Einerseits sind Unternehmen gezwungen, mit ihrem Recruiting auf digitale Kanäle zu wechseln, weil hier mehr potenzielle Kandidaten, vor allem aus den jüngeren Generationen, unterwegs sind. Andererseits profitieren Unternehmen von den neuen technologischen Möglichkeiten und treiben die Entwicklung daher ebenfalls voran. Das zeigt sich beispielsweise in der sogenannten Candidate Experience. Diese basiert auf demselben Grundgedanken wie die Customer Experience: Alle Erfahrungen der Kunden mit dem Unternehmen müssen positiv geprägt sein – nur eben in diesem Fall der Bewerber.

Die Candidate Experience soll also für einen positiven Eindruck des Unternehmens sorgen, sowohl während als auch bereits vor der Bewerbung. Sämtliche Berührungspunkte wie die Homepage, die sozialen Netzwerke, der telefonische Kontakt & Co. müssen ansprechend gestaltet sein, um die besten Mitarbeiter für sich zu gewinnen. Der Vergleich mit der Customer Experience macht somit deutlich: Immer mehr Unternehmen „werben“ regelrecht um Bewerber. Dadurch verschieben sich die Machtverhältnisse. Bewerber sind nicht länger „Bittsteller“, sondern vor allem in vom Fachkräftemangel betroffenen Branchen sind es eher die Unternehmen, die um die Gunst der Kandidaten werben. Die Candidate Experience wächst daher zu einem unverzichtbaren Bestandteil im Employer Branding heran.

Bewerberauswahl durch Künstliche Intelligenz: realistisch oder nicht?

Es sind also die grundlegenden „Machtverhältnisse“, die sich im Recruiting zunehmend verändern. Das bedeutet aber nicht, dass die Unternehmen wahllos jeden Bewerber einstellen. Im Gegenteil: Nach wie vor finden Auswahlprozesse statt, die aber ihrerseits gewissen Veränderungen unterworfen sind. Denn der Fokus der Arbeitgeber rückt immer weiter weg von den „Hard Skills“ auf die sogenannten „Soft Skills“ – die Persönlichkeit der Bewerber steht im Vordergrund. Dafür erfreuen sich psychologische Tests steigender Beliebtheit, die beispielsweise online oder per KI durchgeführt werden.
In einigen Unternehmen führen Bewerber bereits Vorstellungsgespräche mit Künstlicher Intelligenz. Diese können anstelle des oder zusätzlich zum klassischen Bewerbungsgesprächs eingesetzt werden und dienen in der Regel einer psychologischen Analyse. Die KI kann aus Faktoren wie Wortwahl, Sprechgeschwindigkeit oder Gesichtsausdruck wichtige Schlussfolgerungen über die Persönlichkeit des Gesprächspartners ziehen – und diese ist es schließlich, die für die Unternehmen von Interesse ist. Ob sich diese Form der Künstlichen Intelligenz im Recruiting durchsetzen wird, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht mit Sicherheit sagen, denn unumstritten ist sie nicht.

Clickworker liefern große Mengen an vielfältigen Datensätze zum Trainieren von Chatbots.

Fazit und Ausblick

Sicher ist, dass die KI im Recruiting zukünftig eine immer wichtigere Rolle spielen wird, denn es gibt noch zahlreiche weitere Anwendungsbereiche, die teilweise bereits genutzt werden und große Potenziale für die Zukunft bieten. Dazu gehört zum Beispiel:

  • Der Einsatz von Chatbots, um Bewerbern auf Karriereseiten eine bessere Experience zu bieten.
  • Bewerberanalyse per KI als Vorauswahl.
  • Künstliche Intelligenz in Form eines Online-Assessment-Centers.

Und noch viele weitere Szenarien, die das Recruiting von morgen weiter verändern werden. Zwar wird der persönliche Kontakt zwischen Personaler und Bewerber vermutlich niemals vollständig wegfallen, doch es wird mehr Zwischenschritte geben, bei denen Künstliche Intelligenz eine wichtige Rolle spielt – oder die gänzlich von ihr geleitet werden. Es bleibt daher spannend, wie das Recruiting der Zukunft aussehen wird. Aber es wird mit Sicherheit vor allem eines sein: Digital.

 

Autor: Rene‘ Dornes

 

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