Ein Maß für falsche Schönheit

„Julia Roberts: Zu schön, um wahr zu sein“ titelten im vergangenen Sommer nicht nur die Boulevardzeitungen. Die britische Werbeaufsicht ASA (Advertising Standards Authority) hatte eine Kampagne der Kosmetikfirma L’Oréal verboten. Der Grund: Julia Roberts sah auf den Fotos einfach zu perfekt aus für ihre 43 Jahre und drei Kinder. Die Werbemacher hatten ordentlich gephotoshopt und jede Unreinheit, jedes Fältchen aus dem Gesicht des Hollywoodstars verschwinden lassen.

Frau Roberts ist nur ein Fall auf einer langen Liste von Stars und Models, die mit digitaler Bildbearbeitung teilweise bis zur Unkenntlichkeit verschönert werden. In der Werbebranche ist das exzessive Retuschieren längst selbstverständlich. Das Problem: Die LeserInnen der Zeitschriften können nicht erkennen, welche Bilder wie stark verändert wurden. Sie vergleichen sich mit den unnatürlichen Schönheiten und fühlen sich unter Druck gesetzt. Das soll sich jetzt ändern.

Die Computerwissenschaftler Eric Kee und Hany Farid vom Dartmouth College in New Hampshire wollen den frustrierten Rezipienten helfen. Sie haben ein Computerprogramm entwickelt, das digitale Veränderungen auf Fotos automatisch erkennen und bewerten soll. Ihr Ziel ist es, so den Weg für eine Kennzeichnungspflicht retuschierter Fotos in Zeitschriften zu ebnen, gegen die sich die Werbeindustrie bisher erfolgreich gewehrt hat. „Dank der Magie der digitalen Retusche unterstützen unglaublich dünne, große und faltenfreie Models die Industrie bei ihrem legitimen Ziel, ihre Produkte zu verkaufen. Auf der anderen Seite haben viele wissenschaftliche Arbeiten einen Zusammenhang zwischen idealisierten und unerreichbaren Bildern und ernsthaften gesundheitlichen und psychischen Problemen bei Frauen, Männern und Kindern nachgewiesen. Wir hoffen, dass eine objektive Messung helfen kann, einen Kompromiss zwischen diesen beiden gegensätzlichen Interessen zu finden“, erklärten die Wissenschaftler in ihrer Veröffentlichung in einer Fachzeitschrift.

Bei den ersten Schritten hin zum Programm spielte auch die Crowd eine entscheidende Rolle. Um dem Computerprogramm einen ersten Maßstab vorzugeben, bewerteten Internetnutzer eine Reihe von Fotos manuell. Ihre Aufgabe war es, 20 Paare von Originalfotografien und retuschierten Bildern danach zu bewerten, wie massiv die Veränderungen sind, und ihnen einen Wert von eins bis fünf zuzuordnen. Auf diesem Wege erhielten die Wissenschaftler für jedes der 468 Bilderpaare 50 Bewertungen, die sie zur weiteren Entwicklung des Programms nutzen konnten. Nach einer Reihe von Berechnungen und viel Programmierarbeit entstand so ein Programm, das nun automatisch den Tricks der Werbemacher auf die Schliche kommen soll und eventuell einen Beitrag zur weltweit geführten Debatte liefern kann.

Wer sich genauer über die Arbeit der Wissenschaftler informieren will, findet hier die Veröffentlichung in der Fachzeitschrift PNAS.

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Mandy Meyer-Steffan