Customer Journey Map – die Reise des Kunden kennen und begleiten

Customer Journey Map

Heute wollen wir uns einem alten Marketing-Hasen zuwenden: der Customer Journey und der dazugehörigen Map. Denn die Reise Ihrer Kunden hat unterschiedliche Stationen und jede davon entscheidet mehr oder weniger, ob deren Reise weitergeht oder sie abbrechen. Doch zunächst etwas Theorie.

Was ist Customer Journey?

Der Marketing-Begriff Customer Journey kann mit „Reise des Kunden“ übersetzt werden. Die Customer Journey zeigt auf, welche Stationen ein Kunde durchläuft, bevor er einen Kauf tätigt, eine Bestellung absendet oder eine Anfrage stellt.

Älter als gedacht

Schon 1898 entwickelte der US-amerikanische Werbestratege Elmo Lewis das berühmte AIDA-Modell, um die Customer Journey zu beschreiben. AIDA ist hier nicht zu verwechseln mit der berühmten Kreuzfahrtmarke, auch wenn es bei beiden im weitesten Sinn um das Reisen geht. Aber sicher durchlebt der Kunde bei der Buchung einer AIDA-Kreuzfahrt genau die Schritte, die im AIDA-Modell angegeben werden.

AIDA-Modell:

AIDA-Modell
  1. Attention (Aufmerksamkeit)
    Der Kunde stößt auf ein Plakat von AIDA-Reisen.
  2. Interest (Interesse)
    Der Kunde wird neugierig auf Kreuzfahrten.
  3. Desire (Wunsch)
    Der Kunde möchte eine AIDA-Kreuzfahrt machen.
  4. Action (Handlung)
    Der Kunde bucht die Kreuzfahrt.

Natürlich lassen sich diese Stufen noch erweitern. So kann zwischen Wunsch und Handlung noch der „Anstoß“ eingefügt werden. Im Beispiel könnte der beste Freund des Kunden ebenfalls eine Kreuzfahrt buchen, weshalb der Kunde schließlich aktiv wird.

Im Informationszeitalter stößt das AIDA-Modell aber schnell an seine Grenzen. Wir stellen Ihnen deshalb eine zeitgemäße Alternative vor.

ACPRA statt AIDA

Eine heutige Customer Journey lässt sich wie folgt darstellen:

  1. Awareness: Der Kunde erhält Kenntnis vom Produkt durch Werbung, Mundpropaganda u. ä.
  2. Consideration: Der Kunde informiert sich über das Produkt, beispielsweise in Reviews oder Blogs.
  3. Purchase: Der Kunde kauft es online oder im Shop.
  4. Retention: Der Kunde behält die Ware und informiert sich beispielsweise über bestimmte Funktionen in den FAQs.
  5. Advocacy: Der Kunde ergreift Partei für das Produkt. Er schreibt etwa eine Rezension darüber in einem Bewertungsportal.

Gerade die Phase der Information (2. Consideration) ist bei der Kundenreise inzwischen extrem wichtig. Deshalb hier ein Abstecher zum „Zero Moment of Truth“. Das ist eine Phase, die im Informationszeitalter viele Kunden bei der Kaufentscheidung durchlaufen und die es gerade im Online-Handel praktisch immer gibt.

Zero Moment of Truth – der besondere Schritt in der Customer Journey

Herr Müller zittert in der Februarkälte an der Haltestelle. Seine Bahn fällt aus und die Nächste kommt erst in 15 Minuten. Da fällt sein Blick auf das Werbeplakat eines Reiseanbieters. „Wie wäre es mit einem Kurztripp in die Sonne?“ Genau das mache ich, denkt Müller und zückt sein Smartphone. An dieser Stelle kommt es zum Zero Moment of Truth. Herr Müller wird nämlich recherchieren. Was sagen andere Personen über den Reiseanbieter? Gibt es zum Angebot „Kurztripp in die Sonne“ schon Erfahrungsberichte? Ist die gleiche Reise bei einem anderen Anbieter günstiger?

Bevor Kunden überhaupt erwägen eine Kaufentscheidung zu treffen, recherchieren sie zum Produkt bzw. zur Dienstleistung. Das führt dazu, dass nicht mehr der erste reale Kontakt mit dem Produkt bzw. Erleben der Dienstleistung zum Moment der Wahrheit wird, sondern es schon vorher dazu kommt.

Vor dem Siegeszug des Internets musste Herr Müller erst den „Kurztripp in die Sonne“ persönlich erleben, um einschätzen zu können, ob die Werbung des Reiseanbieters der Wahrheit entspricht. Er konnte also erst nach dem Ende der Customer Journey einschätzen, ob seine Reiseangebotswahl gut war oder nicht. Heute erfährt er auf Bewertungsportalen, in Blogs oder in den sozialen Medien, ob das Angebot des Reiseveranstalters gut ist.

Doch warum die Bezeichnung „Zero Moment of Truth“?

Als der erste Moment der Wahrheit wird der Zeitpunkt bezeichnet, an dem sich ein Kunde für ein Produkt entscheidet. Er greift beispielsweise im Supermarkt zum Waschmittel X.

Der zweite Moment der Wahrheit ist der, zu dem der Kunde das Produkt ausprobiert. Er wäscht mit dem Waschmittel X seine Wäsche.

Der dritte Moment der Wahrheit ist das Weiterempfehlen (oder auch nicht) des Produktes. Hat er gute Erfahrungen mit dem Waschmittel X gemacht oder ist die Wäsche nicht richtig sauber geworden?

Der Null (Zero) Moment der Wahrheit heißt also deshalb so, weil er noch vor dem Ersten liegt. Über die Web-Recherche und das Lesen von Bewertungen zum Produkt oder zur Dienstleistung bildet der Käufer sich seine Meinung schon vor dem realen Kontakt.

Bedeutung für die Customer Journey

Der Zero Moment of Truth hat die ganze Reise des Käufers auf den Kopf gestellt. So hat bereits 2014 das Wirtschaftsmagazin Forbes Folgendes festgestellt: [1]

  • In 70 bis 90 Prozent der Fälle haben die Kunden bereits ihre Customer Journey abgeschlossen, bevor sie sich überhaupt an einen Verkäufer gewendet haben.
  • Die Entscheidung von Verbrauchern für einen Kauf war im Jahr 2014 fünf Mal mehr von Quellen im Internet abhängig als noch 2009.
  • Im Schnitt ziehen Kunden 11,4 Quellen zu einer Kaufentscheidung hinzu.

Typische Quellen sind Empfehlungen von Freunden (offline und online), Influencer, Blogs, Testberichte, Vergleichsportale und Erfahrungsberichte.

’Werbung’ und ’Interesse wecken’ sind also wichtige Stationen der Customer Journey. Wenn Sie bzw. Ihr Angebot es aber nicht schaffen, im Internet zu überzeugen, endet die Reise Ihres Kunden vorzeitig.

Customer Journey Map

Was ist diese Map?

Im Endeffekt handelt es sich dabei um eine Karte mit den Punkten, an denen der Kunden mit Ihrem Produkt oder Dienstleistung in Berührung kommt. Man spricht deshalb auch im Marketingjargon von Touchpoints. Diese Touchpoints beginnen beim ersten Kontakt (Awerness), wenn der Kunde etwa eine Ihrer Anzeigen sieht, und endet im Idealfall bei der Produktnutzung bzw. dem „Davon-überzeugt-sein“ (Advocacy).

Warum sollte eine Customer Journey Map angelegt werden?

Durch das Anlegen einer Customer Journey Map werden Sie gezwungen, die Perspektive Ihrer Kunden anzunehmen.

Dank der Map können Sie jeden einzelnen Touchpoint untersuchen und optimieren. So vermeiden Sie es, dass der Kunde an einem Punkt enttäuscht wird und er seine Reise vorzeitig abbricht.

Außerdem können Sie nicht nur Prozesse optimieren, sondern auf Basis der Karte auch neue Produkt- und Dienstleistungsideen generieren.

Wie wird eine Map angelegt?

Das Anlegen einer Customer Journey Map ist eine aufwendige Sache, für die es extra Dienstleister sowie sehr komplexe und teure Software gibt. Doch gerade am Anfang geht es auch günstiger.

1. Ihre Buyer Persona erfinden

Die Buyer Persona ist die spezifische Beschreibung einer Person, die Ihr Kunde sein könnte. Es handelt sich also um eine fiktive Beschreibung einer Ihrer Kunden dessen Perspektive Sie annehmen. So können Sie schon auf dieser Ebene Probleme in der Customer Journey ausmachen.

Um die Persona zu entwickeln, können Sie ihr folgende Fragen stellen:

  1. Wie heißt sie?
  2. Wie alt ist sie?
  3. Welches Geschlecht hat sie?
  4. In welchem Umfeld lebt sie?
  5. Hat sie Familie, Haustiere, Hobbys?
  6. Hat sie einen Job?
  7. Welchen Job hat sie?
  8. Welche Werte sind ihr wichtig?

Legen Sie anhand Ihrer Fragen einen Steckbrief dieser Person an. Sie können natürlich auch mehrere Steckbriefe für unterschiedliche Personen anlegen. Doch zu Beginn genügt einer.

Beispiel:
Name: Kevin Müller
Alter: 35 Jahre
Geschlecht: männlich
Umfeld: lebt in einer stressigen Großstadt
Familie: keine
Haustiere: keine
Hobbys: Fitnessstudio und Fotografie
Job: Ja, Programmierer
Werte: erfüllende Arbeit und körperliche Fitness

2. Touchpoints überlegen

Fragen Sie sich jetzt, an welchen Touchpoints diese Person mit Ihrem Angebot in Berührung kommen wird. Was ist ihr Problem? Wie wird sie nach einer Lösung suchen? Was wird sie tun, wenn sie auf Ihr Angebot gestoßen ist?

Beispiel:

Herr Müller hat wieder einmal viele Urlaubstage angesammelt und muss diese nun nehmen. Er will seinen Urlaub nicht zu Hause verbringen. Er möchte ins Warme und dort unbedingt Sport machen können.

Der erste Touchpoint könnte eine Googlesuche nach „Aktiv Urlaub in der Sonne“ sein. Die Google suche führt ihn zum zweiten Touchpoint.

Der zweite Touchpoint ist vielleicht ein Reiseportal, das ihm unterschiedliche Reisen anbietet. Bilder von Grand Canaria sprechen ihn besonders an und hier insbesondere das Hotel Del Sol.

Der dritte Touchpoint könnte eine erneute Suche nach Erfahrungsberichten über das Hotel Del Sol sein bzw. Bewertungen des Reiseanbieters. Ein Blick auf die Website des Reiseanbieters ist vorstellbar. Außerdem schaut er, ob es auf Gran Canaria lohnenswerte Fotomotive gibt.

Der vierte Touchpoint ist ein Preisvergleich genau dieses Angebots.

Der fünfte Touchpoint ist das Buchen der Reise beim Anbieter XY.

Natürlich sehen bei einer anderen Buyer Persona die Touchpoints anders aus. Frau Schmidt fragt vielleicht als Erstes in ihrem Reisebüro nach. Herr Kowalski macht einen Aufruf bei Facebook, damit ihm etwas empfohlen wird.

Typische Touchpoints können Sie sich anhand des Akronyms EPOMS merken:

  • Earned Touchpoints verdient sich Ihr Angebot, wenn es gut ist, etwa durch Bewertungen, Presseberichte, Weiterempfehlungen usw.
  • Paid Touchpoints kaufen Sie ein; beispielsweise in Form von Anzeigen, Bannerwerbung, Adwords (bzw. Online-Werbeanzeigen), Werbespots, …
  • Owned Touchpoints sind im Besitz Ihres Unternehmens, wie z. B. Ihre Website, Ihr Blog, Online-Shop, Firmengebäude, …
  • Managed Touchpoints sind nicht in Ihrem Besitz aber Sie managen Sie. Das kann Ihr Facebookauftritt sein, Apps im externen App-Store, ein Messestand, …
  • Shared Touchpoints sind geteilte Touchpoints wie Erklärvideos, E-Books oder Presseartikel.

3. Gefühle und Erwartungen analysieren

Spielen Sie die einzelnen Touchpoints Ihrer Persona durch. Fragen Sie sich bei jedem Punkt:

  • wie sich die Person fühlt
  • was sie jetzt erwartet
  • was sie überzeugt

Bei Kevin Müller waren am Ende die ansprechenden Landschaftsfotos auf Ihrer Internetseite ausschlaggebend für die Buchung.

4. Touchpoints visualisieren

Um den Überblick nicht zu verlieren und schnell Ergänzungen und Änderungen vornehmen zu können, sollten Sie jetzt eine Karte der Touchpoints erstellen. Dazu zeichnen Sie die typischen Stationen einer Customer Journey (ACPRA) auf und ordnen die Touchpoints zu. Diese werden dann mit den passenden Infos zu Gefühlen und Erwartungen ergänzt.

5. Quantitative und qualitative Daten sammeln

Später können Sie mit quantitativen Daten aus internen Quellen wie Google Analytics, Social Media Monitoring oder Supportanfragen und Reklamationen Ihre realen Kunden kennenlernen.

Qualitative Daten erhalten Sie durch Interviews oder andere Formen der Kundenbefragung. Auch externe Quellen liefern hierfür relevante Information, wie etwa Branchenreports oder Studien zum Kundenverhalten sowie Wettbewerbsvergleiche.

Die qualitativen Daten nutzen Sie, um Thesen über Ihre Kunden abzuleiten. Anhand der quantitativen Daten überprüfen Sie Ihre Thesen.

6. Customer Journey Map mit neuen Personas

Auf Basis Ihrer Thesen können Sie neue Personas erstellen und für sie eine Customer Journey Map erstellen bzw. die vorhandene Karte ergänzen. Im Laufe der Zeit erweitern Sie damit Ihre ursprünglich Map und behalten so immer Ihre Touchpoints im Blick.

Was sollten Sie auf keinen Fall tun?

Wer die Customer Journey seiner Kunden sowie deren Touchpoints stetig optimiert, dem wird auf jeden Fall eines nicht passieren: Die Bedürfnisse seiner Kunden aus den Augen zu verlieren.

Beispiele dafür gibt es in der Geschichte immer wieder. Da entwickeln große Unternehmen aufwendig neue, tolle Produkte, aber am Ende kaufen sie nur wenige. Ein aktuelles Beispiel ist das Jubiläums-Smartphone von Apple: das iPhone X. Dessen Verkaufszahlen liegen deutlich unter den Erwartungen der Analysten. Den Grund dafür hat eine Studie der Research-Abteilung der Investmentbank Piper Jaffray ausgemacht. So genügt 40 Prozent der potenziellen Kunden des iPhones X schlichtweg das Vorgängermodell. 31 Prozent finden es zu teuer. [2]
Hier hat also der Branchenprimus an einer wichtigen Stelle seine Customer Journey vernachlässigt.

Die Customer Journey ist ein weites Feld, das richtig „beackert“ ungeheuer viele Chancen bietet, Kunden zu gewinnen und zu binden.

Nutzen Sie die Customer Journey Map, um Schwächen und Stärken Ihrer Marketing-Strategie auszumachen und nie den Blickwinkel Ihrer Kunden zu vergessen.

 

Quellen:
[1] „The Role Of Influence In The New Buyer’s Journey“, https://www.forbes.com/sites/danielnewman/2014/04/10/the-role-of-influence-in-the-new-buyers-journey/#659cdcd8585d, 02.03.2018
[2] „Studie enthüllt, warum Apple-Kunden das iPhone X nicht kaufen“, https://meedia.de/2018/03/07/studie-enthuellt-warum-apple-kunden-das-iphone-x-nicht-kaufen/, 07.03.2018

 

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Thomas